Die Bundesregierung hat am 8. März 2017 – dem internationalen Frauenkampftag – angekündigt, mit der Ratifizierung der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu beginnen. Die Konvention schreibt den Vertragsparteien die Erstellung allumfassender Maßnahmen zum Schutz, Verhütung, Verfolgung und Beendigung aller Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt vor. Die Konvention richtet sich sowohl gegen Gewalt, die im Privaten erfahren wird, als auch gegen geschlechtsspezifische Gewalt im öffentlichen Raum. Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beitragen? Inwiefern werden Migrantinnen*organisationen Teil der Umsetzung sein?
![]() | Der Schutz von Frauen vor Gewalt ist für uns ein wichtiges Ziel. Für den Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt wurde mit der Reform des Sexualstrafrechts in dieser Legislaturperiode bereits viel erreicht. Endlich reicht es hier für die Strafbarkeit aus, gegen den erkennbaren Willen einer Person zu handeln. Auch das sogenannte „Grapschen“ sowie die Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus sexuelle Übergriffe auf Frauen stattfinden („Antanzen“), steht nun unter Strafe. Verletzliche Personengruppen brauchen einen höheren Schutz. Deswegen war es wichtig, dass Freier von Zwangsprostituierten endlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und die Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution verschärft wurden. Durch mehr Kontrolle, Beratung und Schutzvorschriften, vor allem das Verbot besonders frauenverachtender Praktiken, haben wir auch die Rahmenbedingungen und den Schutz für Frauen in der legalen Prostitution erhöht. Durch die Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber wird das Geschäft mit Ausbeutung und Menschenhandel für Kriminelle schwieriger und unattraktiver gemacht. Um Frauen Hilfsangebote in einer Notsituation aufzuzeigen, hatte der Bund 2013 ein niederschwelliges Angebot geschaffen: das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, mit dem betroffenen Frauen und Ratsuchenden täglich rund um die Uhr und kostenlos eine Erstberatung gewährleistet wird. Die Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder bleibt weiter eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sind hier Grundlagen geschaffen. Die Umsetzung durch umfassende und koordinierte politische Maßnahmen wollen wir vorantreiben, Lücken im Hilfesystem schließen und den Schutz für Frauen und Kinder erhöhen. |
![]() | Aufbauend auf der Ratifizierung der „Istanbul-Konvention“ werden wir einen dritten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen umsetzen. Wir brauchen zudem einen individuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für die Opfer und ihre Kinder. Das gilt auch für geflüchtete Frauen und Mädchen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Das Hilfesystem aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtungen soll ausgebaut und weiterentwickelt werden. Mit einem Bundesförderprogramm setzen wir die erforderlichen Maßnahmen im Hilfesystem in Gang. Um Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den Ansätzen zu bekämpfen, brauchen wir zudem ein Präventionsprogramm. Eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene soll die Umsetzung der Istanbul-Konvention überwachen. |
![]() | Wir wollen ein Gesetz, in welchem der Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen - unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Migrationshintergrund, Beeinträchtigung oder nicht- und deren Kinder geregelt ist. Dieser muss zwingend so gestaltet sein, dass er unabhängig von Einkommen, Aufenthaltstitel, Herkunftsort, gesundheitlicher Einschränkungen oder Behinderungen für die betroffenen Frauen gilt und keine Nachweispflichten enthält, die die Betroffenen zusätzlich belasten oder ihre Sicherheit gefährden. Wir wollen ein koordiniertes Gesamtkonzept mit konkreten Maßnahmen und ausreichend finanziellen Ressourcen. Partizipation von Migrantinnen*organisationen möchten wir dabei auf allen Ebenen ausdrücklich fördern und unterstützen. Wir wollen eine Monitoring-Stelle zur Istanbul-Konvention, die die unterschiedlichsten Akteure unterstützt. |
![]() | Das Gesetz zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention des Europarats ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. Grundlage dafür war die Reform des Sexualstrafrechts mit dem Prinzip „Nein heißt Nein“, die vor allem auf das Engagement der Frauenverbände und nicht zuletzt der Grünen zurückgeht. Nun geht es um eine effektive Umsetzung der Istanbul-Konvention. Die Anforderung an ein Hilfetelefon für den niedrigschwelligen Kontakt für von Gewalt betroffene Frauen wurde bereits erfüllt. Es reicht aber nicht aus, wenn die Strukturen für die Betroffenen nicht ausgebaut werden. Dazu gehören eine deutlich verbesserte Ausstattung und Finanzierung von Beratungsstellen, Notrufen und Frauenhäusern durch Bund und Länder, damit allen von Gewalt betroffenen Frauen Zugang zu diesen Einrichtungen gewährt werden kann. Darüber hinaus fordern wir den Vorbehalt zur Istanbul-Konvention zurückzunehmen. Denn damit entzieht sich Deutschland der Vorschrift, geflüchtete oder migrierte Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen in Strafverfahren aussagen, ein sofortiges eigenständiges Aufenthaltsrecht zu ermöglichen. |
![]() | Das Gesetzgebungsverfahren zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention wurde mit der Zustimmung des Bundesrats am 7. Juli 2017 abgeschlossen. Der Deutsche Bundestag hatte dem Gesetz bereits am 1. Juni 2017 zugestimmt. Wir Freie Demokraten begrüßen diesen Beschluss ausdrücklich. Die einzelnen Maßnahmen sehen für Opfer von Gewalt unter anderem eine Rechtsberatung, psychologische Betreuung, finanzielle Beratung und den Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten zum Beispiel in Frauenhäusern vor. Zudem verpflichten sich die Vertragsstaaten, gegen alle Formen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, gegen Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation vorzugehen. Es ist für uns selbstverständlich, alle relevanten zivilgesellschaftlichen Gruppen, ausdrücklich auch Migrantinnenorganisationen, einzubeziehen, um Gewalt gegen Frauen wirksam entgegenzutreten. |
![]() | Von der AfD haben wir bis zum spätesten Abgabedatum (04.08.2017) keine Antworten auf die Wahlprüfsteine erhalten. |